26.06.2020 12:57 Uhr
Viele Jahre mit Defizit, das durch Corona noch verstärkt wird:
Lebenshilfe muss einige Angebote ausdünnen
Die Lebenshilfe Göppingen, e.V. sieht sich aufgrund der finanziellen Lage und schweren Herzens dazu gezwungen, das defizitäre Gesamtangebot aus dem Bereich „Kinder, Familie und offene Angebote“ auszudünnen. Der Schulkindergarten und die Beratungsstelle des Bereichs Kinder, Familie und offene Angebote bleiben erhalten. Das hat der Vorstand der Lebenshilfe Göppingen beschlossen. Diese Veränderungen gelten ab dem 1. September. Betroffene, Mitarbeiter und Kooperationspartner sind darüber verständigt worden.
Kaum eine der Lebenshilfen in Baden-Württemberg bietet die besagten Angebote in dieser Vielfalt an, und nun muss sich auch die Lebenshilfe Göppingen davon trennen. „Der Vorstand unseres Vereins hat sich dazu entschlossen, einige Angebote aus dem Bereich `Kinder, Familie und offene Angebote` auszudünnen, weil sie einfach hoch defizitär sind und weder durch Leistungsträger wie Krankenkassen, noch durch Spenden oder Sponsoring auch nur annährend finanziert werden“, sagt Geschäftsführer Uwe Hartmann. „Die negative finanzielle Situation hat sich durch die Corona-Krise weiter verschärft“, unterstreicht Hartmann.
Durch die gesetzlich vorgeschriebene Zweckbindung der Mittel sei es der Lebenshilfe auch nicht möglich, die Angebote mit Mitteln aus anderen Bereichen zu unterstützen. Die nachhaltige Gewinnung weiterer Spenden oder Sponsoren sei in diesen schwierigen Zeiten ein fast auswegloses Unterfangen, so Hartmann. „Uns ist bewusst, dass dies für die betroffenen Menschen mit Behinderung und deren Angehörige ein Verlust und eine große Veränderung bedeutet“, betont Hartmann.
Konkret handelt es sich bei dem defizitären Gesamtangebot um folgende Angebote:
1. Die Interdisziplinäre Frühförderung von der Heilpädagogik bis zur Logopädie.
„Die Frühförderung einschließlich der gestellten Inklusionskräfte in Kitas und die Integrationsbegleitung in Regelkindergärten ist leider seit vielen Jahren hoch defizitär in einem sechsstelligen Bereich“, sagt Uwe Hartmann.
2. Die Offenen Hilfen.
Sie umfassen Familienunterstützende Dienste, Freizeit- und Kulturangebote. Auch hier belaufe sich das Defizit im sechsstelligen Bereich, so Hartmann.
3. Die Sozialmedizinische Nachsorge.
Diese Leistungen könnten ggf. auch von der Klinik direkt übernommen werden, wie es hieß.
4. Die Hilfen zur Erziehung.
Hierbei handelt es sich um die Sozialpädagogische Familienhilfe sowie die Schulsozialarbeit.
Insgesamt beläuft sich das für 2020 prognostizierte Defizit offenbar auf rund fast eine halbe Million Euro. Das ist eine Summe, die für die Lebenshilfe elementar ist bei gleichzeitig bestehenden Finanzierungsunsicherheiten aufgrund der Corona-Problematik. „Dies stellt ein erhebliches Finanzierungsrisiko für die Gesamteinrichtung dar“, unterstreicht Uwe Hartmann.
Da der Leiter des Bereichs „Kinder, Familie und offene Angebote“, unabhängig von dieser Entwicklung, zum 31. August dieses Jahres zu einem anderen Arbeitgeber wechselt, bestärkte dies den Vorstand der Lebenshilfe, den Schritt aktuell und konsequent zum jetzigen Zeitpunkt zu vollziehen.
Der Aufgabenbereich für die Lebenshilfe Göppingen ist dennoch groß. An mehreren Standorten im Landkreis engagiert sich die Lebenshilfe Göppingen nach wie vor mit dem Schulkindergarten, mit differenzierten Wohnangeboten für Menschen mit Behinderung, einem Bildungszentrum und fünf Werkstätten für Menschen mit Behinderung - für insgesamt rund 650 Personen derzeit. Die Beratungsstelle und das Inklusionsunternehmen pro move ergänzen das soziale Dienstleistungsangebot. „Das ist ein großer Aufgabenbereich, der ohne unseren aktuell drastischen Schritt gefährdet wäre, denn man darf eins nicht vergessen: auch soziale Einrichtungen können in Insolvenz gehen“, betont Hartmann.
Info-Kasten
Die Lebenshilfe Göppingen, e.V. setzt sich für das unantastbare Lebensrecht behinderter Menschen ein. 1963 von Dr. Heinz Kernchen als Elternverein gegründet, zählt die Lebenshilfe Göppingen inzwischen rund 600 Mitglieder – darunter der Landkreis, die Kommunen sowie viele Industrie- und Handwerksbetriebe – und betreut rund 1.200 Menschen mit Behinderung.
Ziel der Lebenshilfe ist das Wohl von Menschen mit Behinderung und ihrer Familien zu fördern. Sie setzt sich gezielt dafür ein, dass jeder Mensch mit Behinderung so selbstständig wie möglich leben kann und dass ihm so viel Schutz und Hilfe zuteilwird, wie er für sich benötigt.
Die Lebenshilfe Kreisvereinigung Göppingen e.V. begleitet die Menschen mit Behinderung dieses Landkreises in verschiedenen Lebenswelten.
Schulkindergarten
Im Schulkindergarten fördert die Einrichtung Kinder mit Behinderung im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt in allen Lebensbereichen ausgehend vom jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes.
Wohnangebote
Die Lebenshilfe bietet erwachsenen Menschen mit Behinderung unterschiedlichste Wohnformen an.
Werkstätten
Die Lebenshilfe betreibt drei Werkstätten für Menschen mit geistiger und zwei Werkstätten für Menschen mit seelischer Behinderung. Drei Förder- und Betreuungsbereiche mit 90 Plätzen für schwerstmehrfach Behinderte ergänzen das Angebot. Zurzeit beschäftigt die Lebenshilfe insgesamt 650 Mitarbeiter mit Behinderung.
Das Bildungszentrum
Das Bildungszentrum in Jebenhausen bietet Maßnahmen zur beruflichen Bildung und Qualifizierung für Menschen mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf. Das Bildungskonzept bezieht die Lebensbedingungen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit ebenso mit ein wie das Recht auf Verschiedenheit.
Die Maßnahmen der Beruflichen Orientierung, beruflichen Bildung und Qualifizierung, sowie Jobcoaching sind die zentralen Angebote des Bildungszentrums in Göppingen-Jebenhausen.
(Quelle&Fotos: privat, Lebenshilfe Göppingen)
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