15.09.2021 10:26 Uhr
Stellungnahme der Stadtverwaltung sowie eine gemeinsame Stellungnahme aller Mitglieder des Gemeinderats zum Bürgerentscheid „Landkreiswechsel“, der am 26. September 2021 stattfindet.
Informationen der Stadtverwaltung:
Die Wut und Enttäuschung über die Kreistagsentscheidung zur Helfenstein-Klinik sind immer noch groß und die Rufe nach einem Landkreiswechsel ebben nicht ab. Aus diesem Grund hat der Geislinger Gemeinderat einstimmig beschlossen, am 26. September 2021 - gleichzeitig mit der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag - einen Bürgerentscheid zum Landkreiswechsel durchzuführen. „Bei einer Entscheidung mit solch einer großen Tragweite möchten wir die Bürgerschaft von Anfang an beteiligen und deren Meinung zu diesem wichtigen Thema direkt einholen“, sagt Oberbürgermeister Frank Dehmer. „Der Bürgerentscheid bietet allen Geislingerinnen und Geislingern die Möglichkeit, sich direkt am kommunalen Geschehen zu beteiligen.“
Am 26. September 2021 können alle wahlberechtigten Bürger*innen darüber abstimmen, ob die Stadtverwaltung ernsthaft prüfen soll, unter welchen Rahmenbedingungen ein Austritt aus dem Landkreis Göppingen sowie ein gleichzeitiger Übertritt in den Alb-Donau-Kreis realisiert werden kann.
Abgestimmt werden kann nur mit JA oder NEIN. Entschieden ist die Frage, wenn der Bürgerentscheid von der Mehrheit der gültigen Stimmen bejaht wurde und diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten beträgt. Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses.
Sollte der Bürgerentscheid positiv ausfallen, folgt eine umfangreiche Prüfung. Denn das Bestreben, einen Austritt aus dem Landkreis Göppingen ernsthaft zu verfolgen, ist letztlich mit einer Vielzahl an komplexen rechtlichen sowie anderen Fragestellungen verbunden, die wir zum derzeitigen Zeitpunkt noch gar nicht alle überblicken können. Bei einem Landkreiswechsel wären auch mehrere Einrichtungen des Landkreises Göppingen in unserer Stadt wie beispielsweise das Berufsschulzentrum, die Zweigstelle der Zulassungsstelle sowie die Außenstelle des Sozialamts, unmittelbar betroffen. Außerdem geht es auch ums Geld. In welcher Höhe ist zum Beispiel eine Kreisumlage zu entrichten? Und natürlich müssen auch Gespräche mit dem Alb-Donau-Kreis geführt werden. Kurzum: Alle Vor- und Nachteile eines Landkreiswechsels sowie deren Auswirkungen sollten genau aufgeführt werden, bevor man eine endgültige Entscheidung fällt.
Gemeinsame Stellungnahme aller Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Geislingen an der Steige:
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger!
Das Verhältnis der Stadt Geislingen, des oberen Filstals, des oberen Kreisgebiets zu ihrem Landkreis, zum Kreis Göppingen, ist höchst angespannt. Der Gemeinderat der Stadt Geislingen, ja ein großer Teil der Bevölkerung ist tief enttäuscht über die Vorgänge in jüngster Zeit. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns deutlich artikulieren und auch lautstark wehren müssen. Es ist vor allem der Zeitpunkt gekommen, unseren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, ein eigenes Votum darüber abzugeben, was sie davon halten, wie der Landkreis Göppingen mit den Belangen dieser Raumschaft umgeht. Dem kann unseres Erachtens am besten mit einem Bürgerentscheid entsprochen werden und deshalb halten wir – und zwar völlig unabhängig von den Erfolgsaussichten – unser Vorgehen für völlig berechtigt.
Deshalb fasste der Gemeinderat den einstimmigen Beschluss, einen Bürgerentscheid durchzuführen.
Was wir zum Ausdruck bringen wollen, ist ein nahezu verzweifelter Aufschrei, ein Hilferuf, dass es so nicht weitergehen kann. Denn was mit der Helfenstein Klinik passiert, ist ja keine Momentaufnahme, sondern ein schon mindestens zehnjähriger, unbemerkt schleichender Prozess, mit dem alle Zusagen und Bekundungen für eine vermeintlich stabile Zukunft des Konzepts „Eine Klinik, zwei Standorte“ unterlaufen wurden. Die Enttäuschung darüber sitzt tief.
Aus der Stadt Geislingen gab es seit Langem immer wieder kritische Anmerkungen zu Zielsetzungen des Landkreises, zur Kreisumlage und anderen Themen mehr.
Wir waren dennoch dem Landkreis in vielen Fragen ein immer verlässlicher Partner!
Wir haben die kommunale Partnerschaft gelebt, haben den Ausgleich gesucht, und vor allem haben wir in unserem Verhalten den Kreis stets im Ganzen gesehen und uns nicht von Partikularinteressen leiten lassen. Bestes Beispiel ist der Beitritt zum VVS, den wir mitgetragen und unterstützt haben, obwohl hauptsächlich das untere Kreisgebiet davon profitiert. Gleiches gilt für die Standortentscheidung für den Klinikneubau in Göppingen, die im Lichte der Philosophie „eine Klinik an zwei Standorten“ getroffen wurde und ohne diese Prämisse mit einiger Sicherheit völlig anders ausgefallen wäre.
Die Überlegungen, ob unsere Kreiszugehörigkeit noch stimmig ist, sind keine Geislinger Winkelzüge, nein, aus vielen Gemeinden um uns herum kommen gleiche oder ähnliche Signale. Hier geht es nicht um eine Einzelfrage, eine einzelne Abstimmung zur Helfenstein Klinik. Es geht vielmehr darum, wie man miteinander umgeht, welche Grundhaltung man gegenüber der Bevölkerung eines großen Teilgebiets des Landkreises einnimmt, und ob man sich bemüht, diese Bürger in Entscheidungsprozessen mitzunehmen anstatt sie niederzustimmen.
Wo bleibt das vielzitierte Kreisbewusstsein, an das immer appelliert wird?
Aus nahezu allen Gemeinden des oberen Kreisgebiets vernehmen wir eine große Unzufriedenheit und hören, dass man sich in der Entwicklung vom unteren Kreisgebiet abgehängt und vernachlässigt fühlt. Geislingen als Große Kreisstadt und wichtiges Mittelzentrum mit zentraler Versorgungsfunktion für sämtliche Umlandgemeinden im oberen Filstal teilt diese Sorgen und sieht die Durchführung dieses Bürgerentscheids auch als einen Akt der Solidarität mit unseren Umlandgemeinden. Die sichere medizinische Versorgung des oberen Kreisgebiets, die Notfallversorgung im Besonderen, ist gegenwärtig ebenso sehr gefährdet wie die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Entwicklungsmöglichkeiten in allen Teilen des Landkreises.
Dieser Landkreis ist tief gespalten, und die offene Wunde, die hier klafft, wird kein Kreistag, kein Landrat so schnell schließen können, zumal keinerlei Ansätze dafür erkennbar sind. Die Enttäuschung über diese Vorgänge, der Aufschrei, den wir aus unserer Bürgerschaft hören, das alles lässt sich ganz einfach in folgende Worte fassen:
In einem Kreis, der in diesem Geist geführt wird, fühlen wir uns nicht mehr gut aufgehoben!
Der Bürgerentscheid soll dazu dienen, Ihnen, liebe Bürgerinnen und Bürger, eine Stimme zu geben. Der Bürgerentscheid am 26. September gibt jeder Wählerin, jedem Wähler die Möglichkeit, ein unmissverständliches Signal nach Göppingen zu senden, und wir verbinden damit die Hoffnung auf eine bessere Zukunft!
(Quelle & Bild: Stadt Geislingen an der Steige)
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